Wie Bad Gastein mit seinem architektonischen Erbe in die Zukunft startet
Ein beschauliches Tal in den österreichischen Alpen, bewaldete Berghänge, Wanderpfade, typische österreichische Dorfstrukturen und dann plötzlich absolute Dualität: prunkvolle Hochhäuser am Hang und dazwischen ein rauschender Wasserfall. Das kann auf den ersten Blick ziemlich skurril wirken. Doch letztendlich ist es dieser harte bauliche Eingriff in die Natur, dieser dominante Gegensatz, der ein Spannungsfeld erzeugt und den besonderen Charme von Bad Gastein ausmacht.
Die städtische Architektur der Wiener Architekturszene des 19. Jahrhunderts trifft hier auf derart rasante Weise auf die alpine Bergwelt, dass eine klare Einordnung des Ortes schwerfällt. Topografie, Wasserfall und Thermalquellen, ein Ort wie aus einem Bilderbuch. So ähnlich muss man sich Bad Gastein vor dem damals stattgefundenen Bau-Boom vorstellen. Kein Wunder also, dass diese romantische, wilde Landschaft auf derart spektakuläre Weise erschlossen wurde und das Städtische immer mehr in den Fokus rückte. Spätestens mit den vielen Besuchen von Kaiser Wilhelm war Bad Gastein in aller Munde, was die Aufmerksamkeit und das Geld der High Society auf den Ort lenkte, wobei den Investoren hier freie Hand gelassen wurde.
Doch warum kam es dann schließlich zum Verfall des einst so glamourösen Kurortes? Die Antwort liegt letztendlich in den baulichen Strukturen selbst zu finden. Während im damaligen Bag Gastein die Reichen und Adeligen ihren extravaganten Lebensstil fröhnten, sind die Reich mit stuck verzierten Gebäude heute kaum noch zu unterhalten, zumal sie nur auf den Kurbetrieb im Sommer ausgelegt waren. Mit dem Aufkommen des Skitourismus konnten sie gegenüber den neueren Bauten nicht länger mithalten.
Infolge des Baubooms trat die urbane Qualität und der städtische Kontext immer mehr in den Hintergrund, was zu spannenden solitären Bauten führte, die in ihrer Gesamtheit jedoch keine Einheit bilden und den skurrilen Eindruck des Ortes noch verstärken. Der verblichene Glanz der gealterten Prunkbauten und Ruinen macht heute den ganz besonderen Charme des Ortes aus, welcher durch den krassen Kontrast zu den brutalistischen Bauten wie dem Kongresshaus und der Felsentherme noch verstärkt wird.
Warum das riesige Volumen des Kongresshauses inmitten des Ortes gebaut wurde, ist aufgrund des jahrelangen Leerstandes heute kaum noch zu verstehen und das Versprechen, große Kongresse in den Kurort zu bringen, schon lange verblichen.
Bad Gastein ist durch diese einmalige Baugeschichte zu einem einzigartigen Ort in den Alpen geworden, welcher im Rahmen der neuesten Entwicklungen jedoch vor der Frage steht, was er in Zukunft sein möchte. Denn im Kurort wird wieder gebaut! Die baulichen Strukturen rund um das Badehaus werden aktuell reaktiviert, um Ihnen nach langer Zeit wieder Leben einzuhauchen.
Doch auch einige Neubauten sind derzeit in Planung bzw. Umsetzung, wobei die Gefahr besteht, dass sich die Geschichte des Ortes wiederholt und durch unbedachte Planung und Abriss der spannungsvoll gewachsene Charme in seiner Einzigartigkeit verloren geht und einer profanen Beliebigkeit weicht, wie man sie in vielen Alpendörfern beobachten kann.
Die Reaktivierung alter Bausubstanz kann daher durchaus positiv gesehen werden, da die vielen kreativen Ansätze und künstlerischen Bewegungen rund um Bad Gastein sicher von einem aktiven Dorfkern mit stabilem Angebot, kulinarisch wie kulturell, profitieren würde.